Stahlecker Notizen

Weshalb HSH-Ausbildung an der Hand?

Notizen für den jungen, verantwortungsvollen Bereiter

Pferdekinder müssen viel durchmachen!

Wenn sie schon zu Beginn ihres dritten Lebensjahres verkaufsfähig sein sollen, ist Stress kaum vermeidbar! Für manche Remonten ist die körperliche und psychische Beanspruchung zu hoch.

Die Folgen sind bekannt, ebenso, dass es das Geld ist, das uns verbietet, mit der Ausbildung – so wie unsere Vorväter – bis Oktober des vierten Lebensjahres zuzuwarten.

Wir sind in einem Dilemma.

Das Herz sagt: Lass dem Pferd mehr Zeit, der Verstand: die Kasse muss stimmen! Ich meine, einen Ausweg gefunden zu haben.

Verkürzt besagen meine Vorschläge Folgendes:

  1. Du darfst mit der Ausbildung deines Pferdes früh, sogar sehr früh beginnen und Nutzen daraus ziehen, dass das Pferd umso leichter und lieber lernt, je jünger es ist.
  2. Es gibt aber zwei wichtige Beschränkungen:
    1. Reiten darfst du die Remonte erst zu Beginn ihres vierten Lebensjahres (Wenn Du ein Leichtgewicht bist, allenfalls einige Wochen früher)
    2. Du darfst das Gebiss erst zur Anwendung bringen, wenn dein Pferd verstanden hat, was du von ihm willst. Schmerz im Maul soll nicht pädagogisches Mittel sein!
  • Die Folgerung aus 1. und 2. ergibt sich wie von selbst:

    • Bleib am Boden!
      Arbeite dein Pferd 9 bis 12 Monate an der Hand. 25 Minuten pro Tag genügen. Arbeitsfreie Tage darf es immer wieder geben, wenn guter Koppelgang – möglichst in Gesellschaft – gewährleistet ist.
    • Mach es wie die französischen Meister, die das Dressurreiten zur Blüte gebracht haben.
      Verwende einen gut gepolsterten Kappzaum! Das Gebiss soll wenigstens während der ersten Monate blind im Maul liegen! Weshalb? Schlechte Gebisserfahrungen können zum Trauma werden. Die meisten Zungenfehler, besonders die hochgezogene Zunge, sind Frühprägungen!
    • Verlange beim ersten Reiten nur das, was dein Pferd an der Hand bereits verstanden hat.
      Anfänglich darfst du den Pferderücken nicht länger als 15 Minuten belasten. Wenn er sich verspannt, leiden die Beine – selbst beim Leichttraben! Die Erklärung ist simpel: Nur bei schwingendem Rücken funktionieren die Muskeln abfedernd als veritable Stoßdämpfer! Ohne Losgelassenheit ist das Pferd wie ein Auto mit defekten Stoßdämpfern, dessen Radlager alsbald ausfallen.
      Die ganze Kunst der Grundausbildung besteht wesentlich darin, die Losgelassenheit der Weide nicht durch zu viel Stress verkommen zu lassen. Sie ist eine Gabe der Natur.
    • Die beste Gangart des Lernens ist auch aufgesessen der Schritt.
      Er soll beim Übergang zum Reiten im Vordergrund stehen („on dresse un cheval au pas!“) Erst wenn der Schritt am durchhängenden „Girlandenzügel“ groß und gelassen ist, darfst du antraben.
      Ein weiterer Gesichtspunkt grundsätzlicher Natur kommt hinzu: Die Remonte ist noch ohne das Körperbewusstsein des gut gerittenen Pferdes. Auf der Weide sind ihre Bewegungen vom Instinkt gesteuert. Sie kann besonders ihre Beine noch nicht bewusst koordinieren.
      Sinn der frühen Bodenarbeit ist es, auch das für ein Dressurpferd so wichtige Körperbewusstsein – besonders das Beingefühl – in kleinen Folgeschritten zu wecken.
      Nur so kann es gelingen, die angeborene Losgelassenheit unter dem Reiter zu bewahren. Sie ist auf der Koppel der Normalzustand. Es gibt auf dieser aber auch immer wieder die Spannung der Erregung als psychischer Ausnahmezustand. Der auf der Koppel passagierende Hengst ist in reiterlichem Sinne nicht losgelassen. Er kann nicht sogleich danach gelassenen Schritt gehen oder ruhig stehen!
      Reitkunst ist aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass das Pferd unserem Willen folgend selbst die schweren Lektionen in psychischer Gelassenheit ausführt.
      So wird es unter seinem Reiter noch schöner als in freier Natur. Pferd und Reiter werden zum lebenden, über die Natur hinausgehenden Kunstwerk. Dessen Prüfstein ist folgerichtig der jederzeit abrufbare große, gelassene Schritt und das ruhige Stehen.
      Aus Natur wird Kunst! Diese Vision soll der Reiter schon zu Beginn der Ausbildung im Auge haben!

Resümee:

Es ist zu hoffen, dass die der eigentlichen Ausbildung vorausgehende Handarbeit den Verkaufswert der Remonte erhöht und somit der Verkauf ohne finanzielle Einbuße aufgeschoben werden kann, bis das Pferd gut vierjährig ist.
Der Amateur erhält ein Pferd, das frühgeprägt auf sein Leben als Reitpferd gut vorbereitet ist. Er kommt mit diesem viel besser zurecht und muss nicht so wie heute befürchten, dass schon nach kurzer Zeit aus seinem groß tretenden Auktionsstar ein Korrekturpferd wird.
Dass auch das gesundheitliche Risiko sich verringert, ist meine auf Erfahrung beruhende Überzeugung.
Fritz Stahlecker, im Februar 2009

HSH-Notiz Nr. 2

Weshalb hat der HSH-Schulzaum keinen Mittenring? – Vorbereitung des Pferdes für die Leinenarbeit

Diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Zunächst ist festzustellen, dass die Kappzäume der barocken Meister ohne den mittigen Ring waren. Sie sahen wohl keinen Bedarf. So geht es mir auch.
Der erst später hinzugekommene Ring hat den alleinigen Zweck, ein wenig Zeit zu sparen. Beim Handwechsel muss man nicht mehr umschnallen.
Diesem kleinen Vorteil steht jedoch ein gravierender Nachteil entgegen: Wenn das Pferd heftig zieht, was bei einer Remonte leicht vorkommt, besteht die Gefahr, dass sich der Zaum verdreht. Der Zug wirkt als Drehmoment! Zu spät stellt der Longierende fest, dass der Kopfriemen gegen das äußere Auge drückt. Weil dies weh tut, zieht das Pferd noch mehr; so sehr, dass es zu Verletzungen kommen kann!
Wenn man dagegen gemäß HSH-Regeln die Longe in den inneren Seitenring einschallt, gibt es kein Drehmoment. Das Pferd kann noch so heftig ziehen; der Zaum behält seine korrekte Lage bei. Er kann sich nicht verdrehen.
Ein weiteres Argument kommt hinzu: Schon nach einigen Tagen Handarbeit ist es von Vorteil, die Leine durch den Seitenring hindurch zu ziehen und sie in den außenseitigen Bügelhalter des Sattels einzuhängen.
Der auf den HSH-Zaum wirksame Zug ist dann in seiner Richtung gemäß meiner Skizze günstig verändert.

Dem Pferd wird so besser schmackhaft gemacht, Hals und Kopf nach innen zu nehmen. Es spürt dazuhin die am Hals anliegende Leine. (Eine zukünftige Hilfe!)
Ein wiederholtes kurzes Annehmen der Leine genügt zumeist, um im Laufe einiger Reprisen das Pferd annährend in die gewünschte Innenstellung zu bringen.
So betrachtet führt eine entfallende Bequemlichkeit zum Zwang, das Richtige zu tun. Der „Faulenzerring“ führt in die falsche Richtung!
Achtung! In diesem ersten Stadium der Ausbildung ist eine perfektionistische Denkweise fehl am Platz! Es ist viel besser, sich mit der Andeutung einer gewünschten Haltung zu begnügen. Die guten Andeutungen werden sich wie von selbst vermehren und verlängern.
Im Übrigen ist immer die Natur das beste Vorbild. Wo ist sie perfekt? Nirgendwo! Sie tut im Gegenteil alles, um niemals ganz perfekt zu sein. Hierauf beruht ihr ewiger Wandel!

Beim nächsten Ausbildungsschritt kommt zur Angewöhnung die Außenleine dazu. Sie verläuft anfänglich vom äußeren Ring des HSH-Schulzaumes über den Widerrist zur linken Hand des Ausbilders und soll fast wirkungslos sein.
Bei Pferden, die den Hals tief tragen, ist es angezeigt, diese mittels eines Sporenriemchens, das man geschlossen in den inneren Bügelhalter des Sattels einhängt, gegen ein Verrutschen entlang des Halses abzusichern.

Nächste Stufe:
Man wirft, wie versehentlich, die nicht mehr gesicherte Außenleine über die Kruppe und kommt so zur eigentlichen Arbeit mit der Doppel-Leine.
Am ersten Tag – keine Übung verlangen! Sich damit begnügen, dass das Pferd die um seine Hinterschenkel herumgelegte Leine duldet. Wichtig ist dabei die Sollbruchstelle des Sporenriemchens, mit dem sie im Seitenring des Schulzaums eingeschnallt ist. Man muss zur Sicherheit immer damit rechnen, dass das Pferd wegspringen könnte! Dann soll die Leine reißen, bevor ein Schaden entsteht!

Merke: Je kleiner die Lernschritte, desto kleiner das Risiko, dass es zu Irritationen kommt.

HSH-Notiz Nr. 1

Sind durchhängende Zügel fehlerhaft?

Bei Dressurprüfungen kann es vorkommen, dass durchhängende Zügel negativ bewertet werden. Ohne Zweifel geht es um eine Grundsatzfrage. Man hüte sich, sie vorschnell zu beantworten. Eine nähere Betrachtung ergibt Folgendes:

Alte Stiche

Es fällt auf, dass sich die alten Meister, auf die wir uns berufen, geradezu darin gefallen haben, die Zügel ein wenig durchhängen zu lassen. Auf alten Stichen sind straffe Zügel selten. Dasselbe gilt für alte Reiterstandbilder, einen Heerführer oder Monarchen mit straffem Zügel gibt es nicht.

Wie war es in der Reiterkaserne?

In der Kavallerie waren die Zügel straff. Nur so konnte man bei der Attacke auf den Feind zureiten. Vom Pferd wurde der absolute Gehorsam verlangt. Es war dem Reiter unterworfen.

Wie fühlt das Pferd die Reiterhand bei durchhängendem Zügel?

Selbst bei einem Durchhang des Zügels von 15 cm spürt die Pferdezunge jede kleinste Bewegung der Reiterhand. Man denke an die Westernreiter!

Messungen

Gemessen wurde die Belastung der Zunge bei unterschiedlich durchhängenden Zügeln.

Das Ergebnis ist erstaunlich, um nicht zu sagen erschreckend. Es gibt denjenigen Recht, die für einen kleinen Durchhang, wenigstens der Kandarenzügel, plädieren.

Durchhang der Zügel Trense
Belastung der Zunge
Kandare
Belastung der Zunge
10 cm 0,2 kg 0,47 kg
5 cm 0,4 kg 0,96 kg
3 cm 0,7 kg 1,6 kg
1 cm 2 kg 4,6 kg

Dem Pferd eine Abstützung bieten?

Es wird immer wieder behauptet, der Reiter müsse mit den Zügeln dem Pferd eine Abstützung bieten. Diese Forderung ist unsinnig, weil sie dem Ideal der Selbsthaltung widerspricht. Auch aus tierärztlicher Sicht darf der Reiter mit seiner Muskelkraft nicht zu einer gewünschten Haltung beitragen. Die Durchblutung der Pferdezunge würde gestört.

Sinn der Zügelhilfen

Wir wollen mit den Händen der Pferdezunge vereinbarte Mitteilungen machen. Nicht mehr, nicht weniger. Ich frage: Weshalb Kilogewichte anwenden, wenn die feinfühlige Pferdezunge die taktile Fähigkeit besitzt, Handzeichen im Grammbereich zu verstehen.Lörke hat gesagt, man soll vom Sattel aus nicht mehr tun als das Notwendige. Wer ihm Recht gibt, wird sich mit geringer Zügelspannung begnügen und besonders bei den Kandarenzügeln auf einen kleinen Durchhang Wert legen. Alle mir bekannten Lörke-Photos zeigen einen kleinen Durchhang der Kandarenzügel.Ich meine, dass Zügelanzüge, die über zwei kg hinausgehen, vom noch nicht abgestumpften Pferd als Strafe empfunden werden. Niemand weiß genau, wo die Schmerzgrenze liegt. Sie zu erkunden ist aber gar nicht nötig.