Begeisterung
Ohne Begeisterung ist Ausbildung, gute Ausbildung nicht möglich. Sie muss bewegende Ursachen haben. Dazu gehört das geschulte Auge, das die Entstehung des harmonisch schönen Bildes schon im Ansatz erkennt.
Weshalb soll man nicht die Kreation der Schönheit als Sinn des Lebens annehmen? Im Falle der Reitkunst heißt Schönheit Entfaltung ohne Zwang.
Pferd und Reiter sind im Kunstwerk als Geschöpfe einander gleichwertig, ohne indessen gleich zu sein. Auf die Achtung der Gleichwertigkeit kommt es wesentlich an. Zwei unterschiedliche Naturen vereinigen sich zu einem neuen natürlichen Ereignis (heute sagt man „event“). Reitkunst ist somit eine vom Menschen erfundene kreative Hinzufügung zur Natur, ein durch Aufpfropfung entstandener neuartiger Blütenzweig.
Das Gebot der Gleichwertigkeit – vom Reiter sich selbst auferlegt – verbietet jede, auch die kleinste Demütigung des Pferdes. Gehorsam ist kein direktes Ziel, Dressur kann und soll sich als freiwillige Folgsamkeit wie von selbst ergeben. Pferde sind von Natur aus folgsam! Sie wollen dem höheren Rang folgen. Auch das ranghöchste Pferd hat, bevor es zum Ranghöchsten aufstieg, die Phase des Folgens durchlaufen.
Das Kunstwerk Pferd-Reiter beruht auf der Erhaltung der Ganzheit seiner Teile
Ist ein Teil verletzt, so ist es das Ganze!
Die Unverletztheit der Ganzheit ist aber das wichtigsten Kriterium der Reitkunst. Letztere ist somit der Spiegel einer sich auf Gewaltlosigkeit gründenden Lebensauffassung. Gutes Reiten ist Ausdruck der guten Philosophie des Reiters. Ohne diese ist er nur einer der auf dem Pferd sitzt, ohne wirklich Reiter zu sein.
Schönheit ist ein besonderer Anlass für Begeisterung. Sie ist Geist durch und durch! Der Weg der Ausbildung des Pferdes soll wie ein Bilderbuch sein. Ein schönes, in dem der Reiter ohne Schamröte blättern kann. Diesem Ideal gilt es zur allgemeinen Anerkennung zu verhelfen.