Der Malerei ergeben, ebenso den Pferden
mein Leben, mein Sinn und Streben
(Fritz Stahlecker)
Fritz Stahlecker – Anwalt der Pferde
Er war ein Einzelkämpfer, ein Mensch, der sich oft als einsam empfand mit seinen Ansichten. Er ließ sich nicht von seinem Weg abbringen. In aller Frühe und Stille morgens erarbeitete er sich mit den Pferden eine Methode, um sie schonend aufs Reiten vorzubereiten. Als noch keiner von „Pferde motivieren“ sprach, machte er sich den Spieltrieb, die Neugier und Lernbereitschaft des jungen Pferdes zu Nutze, wandte sich gegen eine Ausbildung durch Dominanz und Lernen durch Schmerzvermeidung. Damit war er seiner Zeit weit voraus.
Von Beruf Ingenieur kam ihm sein technisches Verständnis entgegen, wenn es darum ging, den für das Pferd angenehmen Sattel zu entwickeln, die notwendigen Voraussetzungen für die Bodenarbeit zu schaffen: einen gepolsterten Kappzaum, mit dem sich die Pferde wirklich wohlfühlen konnten – oder eine pferdefreundliche Kandare zu entwickeln, bei der die technischen Mängel des herkömmlichen Gebisses beseitigt waren.
Pferde als Partner anzusehen, ihnen nicht ihren Glanz und ihre spielerische Leichtigkeit zu nehmen und doch so früh wie möglich ihren Geist zu beanspruchen, war sein Anliegen. Aus Pferd und Reiter ein harmonisierendes Kunstwerk zu machen hatte er im Sinn.
Reitkunst statt Show
Weyden, der unter Sven Rothenberger in Atlanta zum Team gehörte, das die Bronzemedaille gewann, war sein bekanntestes Ausbildungspferd. Zahlreiche weitere Pferde waren nach seiner fundierten Ausbildung bis zum Grand Prix-Niveau unter anderen Reitern erfolgreich. Aber Fritz Stahlecker ging es nicht um den Erfolg um jeden Preis. Er wollte die Reiter zum Nachdenken, zum Innehalten bewegen, die Dressurszene aus der Sackgasse des gewaltvollen Reitens herausholen. „Der Zweck heiligt nicht die Mittel, Weg und Ziel müssen den gleichen Kriterien unterliegen, dem achtsamen, respektvollen Umgang mit dem Partner Pferd.“ Ziel seiner Hand-Sattel-Hand-Methode war es, das junge Pferd ohne mit dem Gebiss das Maul zu verderben und ohne Reitergewicht auf die später von ihm erwarteten Dressurlektionen vorzubereiten. Mit dieser schonenden Frühprägung gelang ihm eine Partnerschaft mit dem Pferd an der Hand, die sich im Sattel in einer fast unsichtbaren Verständigung mit einem leichtrittigen, sensiblen Pferd und in der von ihm so ersehnten Harmonie auszahlte.
Unermüdlich machte er sich Gedanken, wie man den Dressursport wieder in andere Bahnen lenken, dem Pferd mehr Respekt entgegenbringen und beim Reiten Harmonie und Reitkunst statt Leistungssport und Show an erste Stelle setzen könnte.
Ehrfurcht vor dem Leben
Seine Leitlinie war immer das Credo Albert Schweitzers, die Ehrfurcht vor dem Leben – der Menschen wie der Tiere. Angesichts der Welt im Umbruch forderte er, dass jeder sich prüfen müsse, in sich gehen müsse, dass wir alle gerufen sind, eine neue Ethik zur Überwindung der Gewalt zu entwickeln. Seine Reitphilosophie führte er immer wieder auf die Beobachtung der Pferde in Freiheit, in ihrem natürlichen Verhalten zurück. Und über die Pferde hinaus dehnte er die Ethik Albert Schweitzers auf alle Lebewesen aus. Der Mensch solle sich seiner Verantwortung als Hüter der Natur, als Bewahrer der Vielfalt des Lebens bewusst sein. Immer wieder stellte er die Frage: Warum gibt es in der Natur so viel Schönheit, welcher Zweck ist damit verbunden? Auf der Suche nach einer Antwort vertraute er darauf, dass es einen Sinn haben müsse, selbst wenn nur Gott ihn kenne.
Tradition und Erneuerung
Mit dem Respekt vor dem Tier sah er es auch als geboten, Herkömmliches immer wieder infrage zu stellen. „Was alle machen, muss deshalb nicht richtig sein“, sagte er. Er hatte sich ein umfangreiches Wissen alter Reitmeister, vor allem auch der französischen Schule erarbeitet, das er auch immer wieder in Erinnerung rief. Und dennoch vertrat er die Ansicht, dass es nicht darum geht, die Tradition unbesehen zu bewahren, sondern kritisch zu beleuchten und neue Erkenntnisse, sei es technische Möglichkeiten, sei es aus der Tierpsychologie oder anderen Gebieten einfließen zu lassen.
Viel Kritik musste er einstecken, er ließ sich nie entmutigen. An seinem profunden Wissen kam man nicht vorbei. Wer die Chance hatte – und von überall in der Welt kamen Menschen zu ihm – ihn näher kennen zu lernen, war beeindruckt, welch immensen Schatz an Reiterwissen und Erfahrung er bereitwillig weitergab. Schüler erinnern sich wehmutsvoll, wie er glanzvolle Reitstunden mit ganz eigenen Ideen oder wertvolle Tipps zur Anwendung seiner Hand-Sattel-Hand-Methode gab, unerwartete Lösungsvorschläge bei Problemen anbot – und nie aufgab.
Reiten als Kunst, als Sinnsuche, als kreatives Denken
Reiten zum Vergnügen genügte Fritz Stahlecker nicht, für ihn war Reiten eine künstlerische Herausforderung und eine Schule des Lebens. Gegen die Gewaltreiterei setzte er Reiten als kreatives Sich Einfühlen, als sich auch vom Pferd leiten lassen. Aber sich allein auf das Gefühl zu verlassen, reicht nicht aus. „Ordnung im Kopf muss sein“, sagte er. Reiten sei zuallererst eine Denkaufgabe und setze die innere Bereitschaft, sich zu korrigieren, umzulernen, dazu zu lernen voraus. „Anders denken, anders reiten“ war sein Leitspruch, der ihn dazu führte, Bewährtes, das aus dem Blick geraten war, wieder in Erinnerung zu rufen, aber auch neue Wege zu gehen.
Malen und Reiten – Parallelen zur Natur
Um Ästhetik ging es Fritz Stahlecker beim Reiten wie in seiner Malkunst. Ästhetik hat seiner Ansicht nach ihren Ursprung in der Natur und Ziel des Reiters soll es sein, dicht an ihr zu bleiben. Im Dressurreiten wie im Malen suchte er Parallelen zur Natur, Ästhetik und Ethik waren für ihn untrennbar miteinander verbunden. „Nur was schön aussieht, ist auch gut.“ Als es ihm nicht mehr möglich war, etwas für die Pferde zu tun, legte er alle Kräfte in seine Malerei und es entstanden Bilder von unglaublicher Leuchtkraft und Intensität. „Alle Kunst verbindet die Menschen, bringt sie international zusammen, so auch die Reitkunst“, findet sich in seinen Aufzeichnungen und dieses Verbindende, für einen geistigen Wandel eintreten, war seine Hoffnung. Trotz ständiger starker Schmerzen war seine Freude an der Natur und an ihrem ewigen Wandel eine Quelle der Kraft für ihn.
Sein Vermächtnis
Reitmeister Lörke war für Fritz Stahlecker ein Vorbild und doch ging er seinen ganz eigenen Weg, in der Malerei waren es vor allem Picasso, Van Gogh, aber auch viele andere moderne Maler, über die er sich bis zuletzt Gedanken machte – und doch strebte er einen Malstil an, der sich von allem Bisherigen abheben sollte.
Offen bekannte er, dass er in seiner Reitweise einen langen Weg zurückgelegt hatte, bis er zu seiner Forderung nach einem immer feineren Reiten, immer sensibleren Verständigung mit dem Pferd gelangte. Der Mensch muss immer weiter an sich arbeiten, muss seine Ideale im Blick behalten, auch wenn er sie nicht erreicht. Demut wurde in den letzten Jahren ein wichtiger Begriff für Fritz Stahlecker. Demut vor der Schöpfung Gottes, vor der Schönheit in der Welt. Solange der Mensch zu geistigem Wandel und kritischer Hinterfragung seines Tuns bereit ist, solange besteht auch Hoffnung auf Besserung in unserer Welt. Und diese Hoffnung behielt er bis zum letzten Tag. Wenn man in Fritz Stahlecker ein Vorbild sehen will, dann war es sicher seine Haltung des immer wieder Innehaltens, Sich Hinterfragens, sein Engagement für den Tierschutz und seine Suche nach Ausgleich, nach Harmonie, ohne sich selbst dabei zu verbiegen.